Jeder Kunde, den ein Stadtwerk heute bei der Strom- oder Erdgasversorgung verliert, fehlt als Akquisitionskontakt für die neuen Geschäftsfelder
Seit einiger Zeit liest man ein große Anzahl von Posts, Artikeln, Veranstaltungs- und Seminareinladungen, die sich mit neuen Geschäftsfeldern für Stadtwerke bzw. Versorgungsunternehmen beschäftigen. Beispielsweise mit dem Aufbau von Glasfasernetzen, der Telekommunikation, dem Internet-of-things, Smart Home oder diversen Energiedienstleistungen. Und natürlich damit, wie der Eintritt in solch neue Produkt- und Geschäftsfelder sinnvoll zu realisieren ist. Eine äußerst wichtige Diskussion, ist doch das traditionelle Geschäftsmodell „Energielieferung“ nur bedingt zukunftstauglich.
Was aber haben die potenziellen neuen Geschäftsfelder mit der Kundenbindung im heutigen Energiemarkt zu tun? Eigentlich eine einfach zu beantwortende Frage: Die Strom- und Erdgaskunden von heute sind das Absatzpotenzial und die Kunden für die Geschäftsfelder von morgen.
Jeder Kunde, den ein Stadtwerk heute bei der Strom- oder Erdgasversorgung verliert, fehlt als Akquisitionskontakt für die neuen Geschäftsfelder. Unzufrieden mit dem Angebot im klassischen Geschäft wird ein Wechsler seinen Ex-Energielieferanten wohl kaum als „die erste Adresse“ für neue Angebote betrachten. Zumal die Rolle des Stadtwerks als Anbieter für Produkte jenseits von Strom, Erdgas usw. zunächst einmal vom Verbraucher gelernt werden muss. Aber auch ohne vollzogenen Wechsel kann alle Strahlkraft eines innovativen neuen Produkts bzw. einer neuen Dienstleistungen von dieser Unzufriedenheit merklich verdunkelt werden.
Dazu kommt: Kundenbindung ist nicht nur im Stammgeschäft erheblich günstiger als Neukundenakquisition. Ein bestehender Kundenkontakt vereinfacht das Angebot neuer Dienstleistungen außerordentlich – denken wir nur an die Anspracheerlaubnis. Oder an die Kontakte bei denen ein Energiekunde selbst an sein Stadtwerk herantritt. Mit entsprechender Vorbereitung lassen sich diese so genannten Inbound-Calls (Mails, Briefe, Faxe) sehr gut vertrieblich nutzen. Durch jedes weitere platzierte Produkt intensiviert sich die Kundenbindung. Und das nicht nur im Sinn von Verträgen und Laufzeiten, sondern auch bei den Beziehungsfaktoren. Es baut sich durch mehr Produkte einfach mehr „natürliche“ Interaktion und Kommunikation auf.
Die Kundenbeziehung als Stadtwerke-Kapital
Damit wird (wieder einmal) deutlich: Einer der wichtigsten Vermögenswerte der Stadtwerke ist die Kundenbeziehung, welche – bei Unternehmen mit Wasserversorgung – nahezu 100% der Haushalte und Unternehmen im Vertriebsgebiet umfassen kann. Nicht umsonst versuchen die Anbieter von digitalen Vertriebskanälen im Bereich Photovoltaik, Heizung, KWK oder Energiedienstleistungen Stadtwerke als Vertriebspartner zu gewinnen und vermarkten daher ihre Internetportale als White-Label-Angebot. Kundenbeziehungen werden nicht ohne Grund in vielen Branchen bereits als immaterielle Vermögenswerte verstanden!
Für das entscheidende Stadtwerke-Kapital, die Kundenbeziehung, gilt daher auch mit Blick auf zukünftige Geschäftsfelder: So gut wie möglich pflegen, erhalten und sich – wenn Sie mit Partnern arbeiten – die Hoheit über die Kundenbeziehung sichern.