Wirksame Kundenbindung jenseits von Kundenkarten, ‑Clubs und Rabatten
Heute lag die Weihnachtskarte meines Stromversorgers in der Post. Eine freundliche Geste, wie ich finde. Gleichzeitig erzählte mir ein Kunde von folgendem Szenario: SLP-Kunden mit hohen Abnahmemengen, beispielsweise in Handel oder Gewerbe, wandern ab und ihrem Vorbild folgen weitere nach. Trotz der lokalen Nähe, den Services eines Versorgungs-Unternehmens am Ort und guten Bewertungen in Gemeinschaftsstudien verlieren Stadtwerke weiter Kunden.
Ein Anlass, einmal wieder über die Chancen des Instruments „Kundenbindung“ nachzudenken.
(1) Stellen Sie sich Kundenbindung als zwischenmenschliche Beziehung vor!
Wie werden menschliche Beziehungen gestärkt? Durch seltene teure Geschenke (könnten wir uns aus der Vertriebsmarge ohnehin nicht leisten)? Oder durch regelmäßige Kommunikation, gemeinsame Erlebnisse und ausgewogenes Geben und Nehmen? Ihre Alltagserfahrung wird Ihnen sagen, wie.
Für ein Stadtwerk heißt das, es muss die Beziehung an den Schnittstellen zum Kunden, da wo der Kunde „sein Stadtwerk“ erlebt, jeden Tag aufs Neue festigen. Mit jeder Aussendung, jedem Telefonat, der Rechnung, den AGB, dem Erscheinungsbild in der lokalen Presse, der Marke und den Produkten. Erst wenn die Geschäftsbeziehung im Alltag funktioniert, ist es sinnvoll, über weitere Kundenbindungs-Maßnahmen, wie Kundenkarten o.ä. nachzudenken.
(2) Reden Sie (viel) mehr mit den Kunden!
Die Alltagserfahrung zeigt auch, dass Beziehungen aller Art wesentlich stabiler sind und auch problematische Situationen überstehen, wenn die Teilnehmer häufig kommunizieren. Über was und wie oft reden wir als Stadtwerk mit unserer wichtigsten Geschäftsbeziehung? Bedauerlicherweise haben viele Kunden gerade mal 3 bis 4 direkte Versorgerkontakte pro Jahr: (a) Ablesekarte erhalten, ausfüllen und rücksenden, (b) Jahresverbrauchsrechnung bekommen, anschauen, abheften, © möglicherweise eine Rückfrage im Kundenzentrum oder eine Abschlagsänderung, (d) ein Blick ins Kundenmagazin…
Wie stark kann ein Geschäftskontakt — also eine Beziehung — sein, die sich darauf beschränkt?
Nachvollziehbar erzielen Querverbund-Unternehmen in Studien höhere Loyalitätswerte, als Spartenunternehmen. Simple Begründung: Es gibt mehr zu bereden, also mehr Kontakte, also mehr „Beziehung“.
Zugegeben, aus einer Energieversorgung alleine erwachsen nicht sehr viele erlebbare Anknüpfungspunkte. Deshalb ist es notwendig, weitere Kontakte durch Magazine, Veranstaltungen, das Social Web oder (idealerweise) eine breitere Produktpalette zu organisieren.
Aber, Hand aufs Herz, ein leckeres Keksrezept in der Winterausgabe der Kundenzeitschrift reicht nicht aus. Hier zeigt sich ein weiteres Risiko – auch ein gepflegter Geschäftskontakt kann „in Routine erstarren“. Was häufig fehlt, ist die Überraschung, die einen Geschäftspartner aufs Neue überzeugt. Wie können Sie Ihre Kunden überraschen? Beispielsweise in dem Sie offensiv mit Angeboten oder in Form von neuen Produkten auf die Kunden zugehen. In dem Sie weitere Kommunikationskanäle (mobiles Web, soziale Medien) nutzen oder bestehende, wie die Regelkommunikation mit zusätzlichen Inhalten aufladen. In dem Sie Kunden als Mitgestalter in einen Beirat bitten. Die Erfahrung zeigt: Kunden freuen sich, mit ihrem Stadtwerk in einen Dialog zu treten.
(3) Wecken Sie Ihre Kunden auf, bevor es der Wettbewerb tut!
Wir alle kennen den Effekt: Ist eine Preisanpassung notwendig oder muss ein Sonderprodukt abgelöst werden, wecken wir Kunden auf, geben Anlass über den Liefervertrag nachzudenken. Situatives Involvement nennt es das Marketing.
Allerdings, drängt sich einem gut gepflegten Kunden zwanghaft der Wechselgedanke auf? Oder fürchten wir uns davor, weil wir ahnen, dass viele Kunden keine, beziehungsweise eine eher unrealistische Vorstellung von uns und unseren Leistungen haben? Dann wird es höchste Zeit, die Regelkorrespondenz mit einem guten Maß an beziehungspflegender Kommunikation zu flankieren. Wenn wir die Kunden nicht wecken und überzeugen, dann tut es wenig später vielleicht der Wettbewerb. Je länger wir warten, desto bereitwilliger werden die Kunden sich kommunikationsfreudigen anderen Anbietern zuwenden.
(4) Wie das bezahlen bei kleinen Margen?
Für eine nachhaltige Beziehungspflege geht es nicht darum, neue (teure) Instrumente zu etablieren, sondern, bestehenden Schnittstellen beziehungsförderlich auszuprägen: Angepasste Betreuungsprofile für unterschiedliche Kundengruppen, Verständlichkeit und Verbindlichkeit der Regelkommunikation, Kulanzregelungen mit einer freundlichen Außenwirkung, ein Kundenzentrum, welches man gerne besucht, lokale Aktivitäten, bei denen persönliche Kontakt geknüpft werden können und, und, und. Zweifellos kostet auch das Geld und es erfordert Einsatz – aber der Weg zum zukunftsfähigen Dienstleistungsunternehmen ist ohne Anstrengung nicht zu gehen. Und was wäre die Alternative?